Landeswettbewerb „Philosophischer Essay 2020“ – Ulricianerinnen ausgezeichnet!

Auf die Frage „Was ist ein Essay?“ antwortet der Essayist Hans Magnus Enzensberger: „Das weiß niemand so genau. Ich verstehe darunter einen diskursiven Text, bei dem ich am Anfang noch nicht weiß, was am Schluss dabei herausspringt. Es kommt, wie der Name schon sagt, auf den Versuch an.“ (Zeit-Magazin, 12.08.2010)

„Sehr gut gelungen…“! Gleich fünf Ulricianerinnen überzeugen beim Landeswettbewerb „Philosophischer Essay 2020“.

Sarah Dirksen, Wenke Kraeker, Clara Haus, Finja Coordes und Jette Buss haben den Versuch gewagt und waren dabei – wie wir heute wissen – sehr erfolgreich. Neben Urkunden und Buchgeschenken vom Landesverband Philosophie Niedersachsen erhielten die Schülerinnen des 12. und 13. Jahrgangs auch ganz viel Anerkennung von ihren Lehrerinnen, die wie in jedem Herbst in ihre Kurse ausgeschwärmt waren, um ihre Schüler und Schülerinnen zur selbstverständlich freiwilligen Teilnahme am Wettbewerb zu motivieren. Es ist ja nicht so, dass man in Schule nichts anderes zu tun hätte… 

„Müssen wir glücklich sein wollen?“ – Dieser Themenvorschlag, der eine eigentlich schlichte Frage zu sein scheint, es aber offensichtlich in sich hat, wenn man erst einmal anfängt, darüber nachzudenken, macht bei vier von fünf Teilnehmerinnen das Rennen. Der Essay von unserer Abiturientin Jette Buss findet sich in unserem diesjährigen Jahrbuch. Hier kann nun der Essay von Clara Haus gelesen werden. Die Ergebnisse der schriftlich festgehaltenen Überlegungen können sich sehen lassen – was auch der lesenswerte Essay von Finja Coordes zum Rousseau-Zitat „Auf seine Freiheit verzichten heißt, auf sein Menschtum, auf die Menschenrechte, sogar auf seine Pflichten zu verzichten“ beweist.

Herzlichen Dank für das Engagement, Respekt und  Glückwunsch den oben genannten Schülerinnen für ihre erfolgreiche Teilnahme… und – last but not least – ganz herzlichen Dank an die in diesem Jahr betreuenden Fachlehrerinnen: Frau Eilers, Frau Frerichs und Frau Heidrich.

Clara Haus – Müssen wir glücklich sein wollen?

Müssen wir glücklich sein wollen?

Von Clara Haus

„Glück – jeder kennt das Wort und verknüpft es mit besonderen Ereignissen und Erinnerungen, doch was steckt eigentlich hinter dem Glücksgefühl und müssen wir glücklich sein wollen?

James Olds, ein amerikanischer Psychologe, untersuchte Ratten und ihr Glücksempfinden und hat es anschließend auf den Menschen übertragen. Er konnte das Lustzentrum im Gehirn finden, welches eine Ansammlung von Neuronen ist. Es befindet sich im Mittelhirn und wird durch Situationen aktiviert, die besser laufen, als das Subjekt angenommen hatte. Die Neuronen Ansammlung gibt Dopamin ab, das in das Frontalhirn und den Nucleus accumbens, der im Vorderhirn sitzt, weitergeleitet wird. Gelangt das Dopamin in den Nucleus accumbens, dann wird dort ein Stoff vergleichbar mit Opium produziert und es resultiert ein euphorisches Gefühl. Das Dopamin, das in das Frontalhirn gelangt, lässt den Menschen aufmerksam werden. Der Mensch wird durch das Glücksgefühl also glücklich, aber der dauerhafte Glückszustand, wie ihn schon die Philosophen der Antike Eudämonie tauften, ist für den Menschen kaum erreichbar. „Unser Gehirn ist nicht dafür gemacht, dauernd glücklich zu sein. Aber es ist süchtig danach, nach Glück zu streben“, sagte auch schon Manfred Spitzer, ein deutscher Neurowissenschaftler.

Auch die Motive, die uns glücklich machen, variieren von Mensch zu Mensch, es gibt aber einige, die schon kategorisiert werden konnten. Ein gewisses materielles Grundbedürfnis sollte abgedeckt sein, aber Menschen, die mehr als 65.000 $ pro Jahr verdienen, werden nicht mehr so glücklich befriedigt bei einer Beförderung wie jene unter dem Schwellenwert. Auch die Grundannahme, dass man, um glücklich zu sein, 24 Stunden am Tag, jeden Tag  Glück verspüren muss, ist falsch, denn Menschen, die unglücklich oder traurig sind, wissen Glück meist anders zu schätzen als einer, der jeden Tag glücklich ist. Carl Jung, ein Schweizer Psychiater sagte, „selbst ein glückliches Leben ist nichts ohne Düsterkeit, und das Wort „glücklich“ würde seine Bedeutung verlieren, würde es nicht von der Traurigkeit ausbalanciert werden“.

Ist es also natürlich, glücklich zu sein, und sind wir tatsächlich dazu gezwungen, glücklich zu sein?

Ich denke, dass der Mensch durch seine Möglichkeit, Dopamin förmlich in Glück zu verwandeln, dazu veranlagt ist, glücklich sein zu können. Was auch dafür spricht, ist die Tatsache, dass Glück eben nicht (nur) materialistisch, sondern auch nicht-materialistisch sein kann. Ob es die Sonne ist, die morgens scheint. Der Geruch von zu Hause, die kalte Hundeschnauze eines eigenen oder ganz fremden Hundes. Das Leben ist voll von kleinen Momenten, die sich nach Glück anfühlen. Glück ist nichts, dass, wenn es einmal erreicht, ist, für immer bleibt. Glück baut sich ab, und Glück kann auch bedeuten, ab und an Unglück zu haben und nicht daran zu glauben glücklich sein zu können, aber es ist etwas, das man zumeist nicht anfassen kann, wonach fast alle Menschen streben. Man kann selbst passives Glück verspüren, wenn jemandem in dem  näheren Umfeld oder sogar jemandem ganz fremden etwas Schönes widerfährt. Es ist etwas, das das Leben so viel lebenswerter macht und selbst die Philosophen in der Antike dazu verleitete ihre eigenen Glücksdefinitionen und Wege zum Erreichen der Eudämonie zu verfassen. Stellt man Seneca, Epikur und Aristoteles gegenüber, dann scheint die Eudämonie das Ziel zu sein. Dabei ist es bei Aristoteles das Leben in Hingabe an die Philosophie, in seinem Modell der Autarkie, das schlussendlich den Weg zur Glückseligkeit ebnet. Epikur legt mit der Ataraxie die Ungestörtheit des Leibes durch Abwägen zwischen allem, was lästiges verhindert, und dem Schmerz selber als Weg zur Eudämonie fest. Für ihn steht die Lust im Zentrum des Weges zur Glückseligkeit. Senecas Apathie setzt die Vernunft als Grundlage für den Weg zur Glückseligkeit fest, er verlangt die Individualität des Menschen und für ihn bedeutet Glückseligkeit die Affektfreiheit des Einzelnen. Es gab also sogar schon in der Antike verschiedene Auffassungen vom Glück und aus heutiger Sicht würden wir nicht jedem Weg zustimmen, aber diese Wege zur Glückseligkeit zeigen einmal mehr, dass  Glück und auch glücklich sein subjektiver Natur sind. Sie sind definiert von verschiedenen Menschen in verschiedenen philosophischen Standpunkten. Auch das lässt sich auf das heutige Leben übertragen: Es muss nicht jeder dieselbe Auffassung von Glück und glücklich sein haben, um es dennoch zu sein, auch wenn andere Mitglieder der Gesellschaft diesen Denkansatz nicht verstehen oder persönlich unterstützen. Vor wichtigen Ereignissen ist „Viel Glück“ der Spruch, der am häufigsten verwendet wird, und obwohl nicht jeder einem das Glück gönnt, wenn etwas sehr gut gelaufen ist, so kann man sagen, dass im Glück eindeutig mehr Verbindendes als Trennendes steckt. Ich denke an dieser Stelle, dass, obwohl glücklich sein etwas sehr Subjektives ist, jeder Mensch zwar nicht glücklich sein muss, aber sollte. Glück ist ein befreiendes, natürliches Gefühl, das alle Menschen dieser Welt verdienen zu fühlen. Ich denke, es reicht schon, am Leben zu sein, um glücklich zu sein. Auch die kleinen Dinge des Lebens geben einem in vielen Situationen eine Legitimation, glücklich zu sein. Man muss zwar nicht glücklich sein, aber ich denke, man sollte versuchen sich über alles zu freuen, über das man sich freuen kann. Gerade dieses Jahr, wo sehr viele Menschen trotz des Internets sich einsam und isoliert gefühlt haben, ist es zwar schwer gewesen, sich glücklich zu nennen. Aber dieses Jahr sollte uns gezeigt haben, wie wichtig es ist, auch aus den kleinsten Momenten Glück zu beziehen. Es sollte uns wichtig sein, glücklich zu sein, obwohl man natürlich niemanden zu seinem Glück zwingen kann.

Im Endeffekt ist glücklich sein eine Entscheidung, die man treffen muss, denn Glück kann eben auch Zeiten der Besserung in schlechten Zeiten bedeuten. Jeder Mensch kann glücklich sein, dafür sorgt unsere Körperchemie, aber es ist ein andauernder Prozess, glücklich zu sein. Ob wir glücklich sein müssen, würde ich mit nein beantworten, denn dafür gibt es im Leben auch Situationen, in denen glücklich sein wollen unpassend wäre, in denen man berechtigt sein muss trauern zu dürfen, Frust zu verspüren oder wütend zu sein. Nur durch diese Erfahrungen und Emotionen wird glücklich sein zu dem, was sich jeder darunter vorstellt. Deshalb würde ich sagen, dass man auf jeden Fall glücklich sein wollen sollte, einfach aus dem Grund, dass das Leben dann lebenswerter wird. Es gibt Hoch – und Tiefphasen in jedem Leben, die antiken Philosophen haben gezeigt, dass die dauerhafte Glückseligkeit eben vielleicht doch nicht das ist, was unbedingt erstrebenswert ist, aber das Leben an sich hat so viele schöne kleine und große Momente, die es zu dem machen was es ist, dass es sich auf jeden Fall lohnen würde glücklich sein zu wollen. Das können nämlich sogar diejenigen, die es nicht für möglich halten, jemals glücklich zu werden, es ist ein Ziel, das sich lohnt zu verfolgen. Die Tatsache, dass unser Leben meist mit Freude unserer Familie anfängt, ist schon ein sehr gutes Zeichen dafür, dass durch glücklich sein das Leben eine ganz neue Bedeutung bekommt. „Müssen“ klingt sehr gezwungen und ich finde, man kann niemanden zwingen glücklich zu sein, das wäre utopisch, aber jeder, der glücklich sein kann und möchte, ist damit dem Leben ein bisschen verbundener. Meine Meinung ist selbstverständlich auch sehr subjektiv und ich habe sicherlich weniger Lebenserfahrung als 50 Prozent der Menschen auf der Welt, das Leben konnte mir also noch nicht wehtun, deshalb ist meine Meinung vielleicht nicht für jeden nachvollziehbar und ich decke bestimmt nicht jede Meinung ab, aber das ist okay, denn wie auch beim glücklich sein gibt es keinen allgemeingültigen Weg, dieses Thema zu betrachten.“

Text und Fotos: Kerstin Niemeyer

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